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„Oh man, Frau Marceux!“

Carmen Schneider-Marceux begleitet Vanessa schon seit der ersten Klasse während ihres Schulalltags.
DRK-Integrationsassistenten begleiten Kinder mit Einschränkungen, um ihnen den Besuch einer Regelschule zu ermöglichen.
Der Arbeitstag von Carmen Schneider-Marceux beginnt und endet am Taxi, das Vanessa zur Schule bringt und auch wieder abholt.
Jacqueline Schulze ist die Ansprechpartnerin bei den DRK-Pflegediensten für Eltern und Bewerber und Bewerberinnen, die an einer Tätigkeit als Integrationsassistenz interessiert sind.

Mittendrin statt außen vor. Das ist die Idee der integrativen Schulform. Kinder mit körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen sollen nicht abgesondert, sondern eingebunden werden. Die DRK-Integrationsassistenten helfen den Kindern dabei, den normalen Schulalltag so gut es geht zu bestreiten. Carmen Schneider-Marceux ist eine von ihnen. Sie begleitet Vanessa bereits seit der ersten Klasse.

An jedem Schultag öffnet Carmen Schneider-Marceux Vanessa die Autotür. „Komm‘ Trulli“, sagt sie lächelnd. Vanessa strahlt zurück. So startet der Arbeitstag von Carmen-Schneider-Marceux. Sie ist Integrationsassistentin bei den DRK-Pflegediensten im Landkreis Uelzen. „Integrationsassistentin oder Schulbegleitung - wie auch immer man meine Tätigkeit nennen will… Ich bin während des gesamten Schultags für Vanessa da“, erklärt sie.

Vanessa ist ein freudestrahlendes Mädchen. Sie ist 18 Jahre alt, sie lacht gern, sie hat den Schalk im Nacken, sie ist pubertär, sie ordnet gern ihre Sachen, sie wäscht gern ab und sie hat das Downsyndrom. In ihren geistigen und körperlichen Fähigkeiten ist sie eingeschränkt. Dank Carmen Schneider-Marceux kann Vanessa eine ganz normale Schule besuchen.

Immer im Blick

An allen regulären Unterrichtsfächern nimmt Vanessa teil. Aufgrund ihrer geistigen Fähigkeiten folgt sie den fachlichen Inhalten jedoch nur in ganz elementaren Zügen. Carmen Schneider-Marceux begleitet Vanessa während des gesamten Schultags. Sie hilft ihr, wenn Vanessa nicht weiterweiß, sie liest ihr Texte vor, erklärt ihr ihre speziellen Arbeitsaufgaben und führt sie zum nächsten Klassenraum. „Ich lasse sie aber so viel wie möglich allein machen. Beispielsweise halte mich ich während der Pausen im Hintergrund. Dort soll sie allein unter ihren Klassenkameraden sein. Aber ich habe sie immer im Blick“, sagt Schneider-Marceux zwinkernd.

Derzeit werden zehn Kinder mit Hilfe von Integrationsassistenten des DRK Uelzen begleitet. „Die Eltern oder Erziehungsberechtigten stellen dafür einen Antrag beim Amt für Teilhabe“, erklärt Jacqueline Schulze, Sachbearbeiterin und Ansprechpartnerin bei den DRK-Pflegediensten. Wird dieser bewilligt, können sie sich an das DRK wenden, um eine Schulbegleitung zu finden. „In der Regel benötigen wir drei bis vier Wochen Vorlaufzeit, um eine geeignete Kombination aus Kind und Integrationsassistent zu finden“, weiß Jacqueline Schulze. „Die Sympathie zwischen beiden muss einfach da sein.“ 

Ein eingespieltes Team

Bei Carmen Schneider-Marceux und Vanessa stimmt die Chemie. Die beiden sind ein gutes Team. Bereits seit der ersten Klasse bestreiten sie Vanessas Schulalltag zusammen. „Mittlerweile sind es mehr als elf Jahre geworden. Das ist sehr besonders!“, sagt sie. Sie pflegen inzwischen einen freundschaftlichen, fast familiären Umgang. So nennt Carmen Schneider-Marceux Vanessa unter anderem beim Spitznamen „Trulli“ und Vanessa macht sie für alles verantwortlich, was nicht so gut läuft. „Wenn beispielsweise während des Unterrichts ein Stift zu Boden fällt, dann sagt sie ‚Oh man, Frau Marceux!‘ – und witziger Weise sagt das mittlerweile schon die ganze Klasse im Chor“, lacht sie.

Die Schulbegleitung von Vanessa begann in der Grundschule in Molzen. Danach wechselte sie auf die Apollonia Oberschule nach Uelzen. Seit 2020 besucht sie die BBS I in Uelzen mit dem Schwerpunkt Hauswirtschaft. „Aus ihrem Lieblingsfach Hauswirtschaft nimmt Vanessa am meisten mit. Darin geht sie richtig auf. Ohnehin hat sie in den letzten drei Jahren einen unheimlichen Sprung gemacht“, beschreibt Carmen Schneider-Marceux. „Kaum zu glauben, dass sich nach diesem Schuljahr unsere Wege trennen.“

Vanessa wird sich dann beruflich orientieren. Und die Integrationsassistentin hat schon einen neuen Schüler in Aussicht. Zum ersten Mal einen Jungen. Auf die Frage, welche Voraussetzungen ein Bewerber für die Stelle als Integrationsassistenz mitbringen sollte, entgegnet Carmen Schneider-Marceux ganz entschlossen: „Geduld und Liebe. Das ist das Wichtigste!“